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Geek, Nerd, Quadratschädel

Am Rande oder mitten in der Gesellschaft?

Letztens habe ich einfach mal wieder auf Instagram durchgescrollt. Was man eben einfach so macht, wenn man Langeweile hat. Hashtags und Lifestyle überall und unter jedem Account verschiedene Beschreibungen, was ich hier wohl finde. Tipps und Lifehacks, Artist und…ein Bio-Nerd? Was ist denn jetzt bitte ein Bio-Nerd? Einer, der den ungespritzten Apfel an den MacBook anschließt und damit hofft, ein neues Systemupdate zu erhalten? Oder ist doch eher gemeint, dass diese Person sehr genau auf ihre Ernährung achtet – eben Bio-Produkte?

Aber waren Nerds nicht immer Leute, die sich im dunklen Keller einschließen, Computercodes über den Bildschirm laufen lassen und irgendwann fängt es doch mal an streng zu riechen? Vorurteile, gesellschaftliche Entwicklungen – all das hat die Nerdfigur in verschiedener Art und Weise seit den 50er Jahren durchgemacht. Laut der Kulturhistorikerin und Medienwissenschaftlerin Annekathrin Kohout waren Nerds eigentlich immer vorwiegend männliche Personen und dazu eine “Sozialfigur“. Also eine Person, die sich das nicht unbedingt selbst ausgesucht hat, ein Nerd zu sein, sondern einfach einer geworden ist. Und die Gesellschaft sagt eben zu dessen Verhalten, “Das ist ein Nerd! So sehen die aus. So verhalten die sich.”

Aber welches Verhalten denn eigentlich? Reicht das schon, dass man eine Stunde am Tag am PC sitzt und dann ist man schon ein Nerd? Macht eine klobige Brille einen Nerd aus ? Oder sind Nerds nicht viel eher Menschen, die sich einem oder mehreren Hobbies oder Thema verschrieben haben?

Quelle: freeimages.com

So kommt der Begriff des Nerds schon eher aus der westlichen Welt. Zum Beispiel in Japan ist unser Bild eines Nerds eher unter dem Begriff des Otakus zu finden. Eine Vermischung hat aber seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts dennoch stattgefunden, was wohl vorrangig der Globalisierung zuzuschreiben ist. So sind Mangas, Animes und Cosplay aus dem fernen Osten zu uns gewandert und prägen das heutige Bild eines Nerds mehr denn je. Im asiatischen Bereich sind dafür z.B. große Superhelden-Filme so beliebt wie nie.

Doch beide Begriffe, der Nerd und der Otaku, haben etwas in den jeweiligen sozialen und örtlichen Gesellschaften gemeinsam: Sie sind beide erstmal mit negativen Vorurteilen belastet. Um mal das typische Klischee zu bedienen war der picklige Brillenträger, mit ungewaschenen Haaren und unmodischen Kleidern, doch immer das, was wir vor Augen haben, wenn wir an Nerds denken. Und eine Freundin hat er schon gar nicht.

Doch das Bild des Nerds hat sich, seitdem er zum ersten Mal in den 50er Jahren aufgekommen ist, immer wieder einer Wandlung der hintergründigen Vorurteile durchgemacht. Damals galt der Nerd als ein sehr geradlinig denkender Mensch. Also hatte er eine hervorragende Eigenschaft, um schon in der Schule gut in Mathematik zu sein. Sie wurden nicht unbedingt als Nerds bezeichnet, laut Kohout, wurde zu ihnen viel eher “Square” gesagt, was so viel bedeutet wie “Null”. So kommt dann wohl auch der Begriff des Quadratschädels, den wir im deutschsprachigen Raum auch früher kannte, wieder ins Spiel.

In den 60er und 70ern kamen dann immer vermehrt Teen Movies und Teen TV Shows ins Fernsehen oder auf die Kinoleinwand. Dort begann mit Serien wie “The Nerds” die heutigen Bilder unserer Zeit. Dicke Brille, Zahnspange, fast immer männlich. Dies führte sich fort bis in die 90er und Anfang der 2000er Jahre. Solch beliebte Jugend-Serien wie “Freaks & Geeks”, die das Bild eines Jungen in der Schule, der zwar schlau war, aber sozial und sportlich doch eher im Abseits stand, verfestigten. Immer wieder konnte man in verschiedenen Serien und Filmen gleich ausmachen, wer der Nerd war. Sein Äußeres war genau das Gegenpendant zu dem Draufgänger, dem Coolen, dem Abenteurer. Dieser fiel vor allem durch seinen lässigen Haarschnitt, der Lederjacke und auch allein schon dadurch auf, dass er viel näher an den Mädchen dran stand. Rebellen, gegen das System, also vor allem gegen die Lehrer und Eltern, sein, waren damals eben schon cool.

Bild der Serie “Freaks & Geeks” 1999 Quelle: film.at

Ein anderes Phänomen kam in den 70er Jahren auf, welches das Bild des Nerds unserer heutigen Zeit auf lange Sicht prägen sollte. Besondere Namen tauchten im Zuge dieses Phänomens auf und sie galten damals alle als Nerds: Steve Jobs, Steve Wozniak, Bill Gates. Na klar rede ich von Computern und den Entwicklungen rings drum herum. Mit der Erfindung und Entwicklung einer Maschine, die die Prozesse der Wirtschaft deutlich optimieren sollten, waren solche Geeks und Tüftler rings um Computer angesagter denn je. So richtig ins Rollen kam das eben mit Firmen wie Microsoft und Apple in den 70ern. Kohout spricht von einer regelrechten “Computermanie”, als Personal Computer bald in jedem Haushalt zu finden waren.

Ende der 80er und Anfang der 90er kam dann noch ein weiterer mächtiger Nerd-Stein ins Rollen: das Internet. E-Mails, Websites, Chat-Rooms und noch viel mehr bekam immer mehr Zulauf und erfreute sich immer mehr Beliebtheit…zumindest bei denen, die wussten, wie man damit umgeht.

Geeks und Cracks wie man sie nannte, die eben wussten, was die Möglichkeiten des Internets sind, waren zuerst verlacht. Selbst Informatik-Größen wie Bill Gates sagten, dass sich das Internet nicht lange halten würde. Oh Mann…wie sehr man sich täuschen kann. Man braucht jetzt keinen ganzen Abschluss mehr, um sich mit den heutigen modernen Mitteln zu vernetzen. Das World-Wide-Web stand jedem offen. Menschen, die unten im dunklen Keller saßen, konnten nun global einen Teil des Geschehens mitbestimmen. In der Schule wurde man natürlich immer noch verlacht für sein “komisches” Verhalten. Aber wenn die heiße Mitschülerin nun doch mal so einen Chat-Room ausprobieren wollte, dann ging sie eben zu diesem Nerd. Der soziale Aufstieg des Nerds ist sehr sehr eng mit der Entwicklung der Computer-Technologie und dem Internet verbunden. Computer sind heute nicht mehr wegzudenken. Schließlich tragen wir alle eine kleine Version in Form von einem Smartphone in unserer Tasche herum. Somit sind Nerds und Geeks heute wichtiger denn je.

Und heute? Heute findet man den Begriff des Nerds in einem ganz anderen Kontext. Wenn er auch früher als reine Beleidigung und Provokation gemeint war, ist das heute noch nicht ganz verschwunden. Doch wenn jemand heute zu mir sagt “Du bist voll der Nerd!”, dann ist das gleichzeitig eine Art Spott, als auch eine gewisse Anerkennung der Person und seiner Interessen. Die Interessen der Nerds von heute sind nicht mehr nur rein auf Internet und Computer fokussiert, auch wenn dies bestimmt ein Hauptteil davon darstellt. Youtube-Videos, Comuterspiele, eSports, Cosplay, Comics, Brett-und Kartenspiele…all das findet man heute oft in der Beschreibung eines Nerds. Und wenn das eben auch bedeutet, dass man auf seinem Instagram-Account schreibt, man sei ein Bio-Nerd. Wie ein Song der Leute vom Youtube-Kanal Doktorfroid schon sagt, “dass ein Nerd zu sein nichts anderes ist, als für sein Hobby einzustehen”.

Doktorfroid – Mehr als du denkst! -#NerdSong (UdPp)

Literatur: Kohout, Annekathrin, Nerds – Eine Popkulturgeschichte, München, 2022.

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